Der Blick für's Magische
Ein Gespräch mit Filmeditor Norbert Herzner, Ehrenpreisträger bei Filmplus 2018
Lieber Norbert, du hast mit „Knight Moves“, der Anfang 1992 in die Kinos kam, den ersten Langfilm digital an einem Avid montiert?
Das ist es, was mir Avid damals gesagt hat, dass das der allererste Langfilm ist, der auf ihrem System entsteht. Es war eine echte Pionierarbeit und ich bin sehr stolz darauf, dabei gewesen zu sein. Aber es war 1991 auch eine echte Krux damit zu arbeiten, gegenüber Systemen, die es dann schon ein oder zwei Jahre später geben sollte. In den USA mussten wir diese monströsen Festplatten bestellen, jede einzelne war so groß wie ein Videorekorder, nur viel schwerer. Und die konnten gerade mal 500 Megabyte Daten fassen. Also bestellten wir sechs Stück für den Film und die Firma fragte uns ganz verdutzt, wofür wir denn so viel Speicherplatz benötigen würden. Wir sprechen von drei Gigabyte… (lacht) Entwickler von Avid kamen dann während meiner Arbeit im Schneideraum immer wieder dazu und ich konnte meine Wünsche und Ansprüche formulieren. Wöchentlich oder zweiwöchentlich wurde mir dann ein Software-Update aufgespielt und ich konnte dazu wieder neues Feedback geben.
Ich habe nach dem Film viel Werbung für Avid gemacht und das System mit den Entwicklern Rundfunkanstalten vorgestellt und es gegen den damaligen Konkurrenten Lightworks verteidigt. Ich habe Seminare gehalten und Leute eingewiesen. Sogar ein Magazin habe ich mitherausgegeben, das Informationen zur Avid-Nutzung gab, wir nannten es „Diva“, also wie „Avid“ rückwärts gelesen. Und eine Diva war das System ganz sicher auch. Viele Editoren kamen auch persönlich zu mir, um sich Rat zu holen.
Eine ältere Kollegin, die ich sehr schätze, war auch ganz fasziniert, wie ich da von Bild zu Bild springen konnte und hat sich das ganz begeistert angeschaut. Nach der Demonstration nahm sie mich still beiseite und fragte ganz ernst: „Aber Herr Herzner, jetzt mal ehrlich, wo sind denn nun die Rollen versteckt?“ Das war damals schon so ein bisschen wie Magie.
Wie
kann man sich die konkrete Arbeit an einem Spielfilm wie „Knight Moves“ vorstellen,
wenn die Technik noch so in den Kinderschuhen steckte und der Speicherplatz so
begrenzt war?
Die Videodateien an denen wir schnitten waren natürlich extrem niedrigaufgelöst und voller Klötze, also mit extremen Komprimierungsartefakten. Die Dateien waren Digitalisierungen von Beta-Überspielungen des ursprünglichen 35mm-Filmmaterials. Schön sah das wirklich nicht aus und auch das ständige Wechseln der Festplatten nervte. Auch konnte der digitale Ton nicht in dieser Form in der Mischung verarbeitet werden. Es gab noch keine Abspielmöglichkeit dafür und wir mussten alles auf Perfo ausspielen. Wie schon gesagt, fast wöchentlich kam eine neue Software und mit ihr neue Tonspuren und eine immer bessere Handhabung. Das war kein Spaß, aber das Potential der Technik war schon damals sofort ersichtlich und absolut faszinierend für mich als Editor. Endlich konnte ich an meinen Schnitten hemmungslos herumfummeln und musste nicht Angst haben, dass mir der Film in Fetzen um die Ohren fliegt, weil inzwischen schon so viel Schnitte an einer Stelle waren. Herrlich!
Zur Beurteilung des Schnitts musste ich erst auf Beta-Cam überspielen, um es mir in normaler Auflösung ansehen zu können. Um das digitalisierte Material zurück auf Film zu bekommen, mussten die Fußnummern des Films ans Kopierwerk geliefert werden. Das war für Avid ein absolut neuer Vorgang und es musste erst die Software dafür geschrieben werden. Die Software hat zunächst auch nicht die Meta-Daten erfasst. Wegen dem fehlenden Bezug dazu für den Negativschnitt musste alles nochmal als Digi-Beta eindigitalisiert werden. Es waren bei diesem Film insgesamt 120 Stunden Material, die Hälfte davon im Avid.
Etwa einmal in der Woche ist das System abgestürzt. Kein Problem, könnte man denken. War es aber doch: Ich musste in den USA jedes Mal einen endlos langen Code erfragen, um das Programm wieder hochfahren zu können. Dumm war nur die Zeitverschiebung, ich habe oft mit einer Putzfrau bei Avid gesprochen, sie war sehr nett.
Knight
Moves“ war mit drei Millionen Zuschauern in Deutschland sehr erfolgreich und es
war bereits deine vierte Zusammenarbeit mit dem Schweizer Regisseur Carl
Schenkel, der später in Los Angeles lebte. Wie habt ihr Euch kennengelernt?
Zu
seinem Spielfilmdebüt „Kalt wie Eis“ (1981) war ich über eine Empfehlung von
Lisa-Film gekommen. Carl löste seine Szenen, vor allem Action, durch sehr
viele Einstellungen auf. Dabei fällt mir eine Szene ein – so genau kann ich
mich nicht mehr an den Ablauf erinnern – in der der Protagonist eine Treppe
herunterstürzt. Carl hat dafür eine Hand am Geländer, einen Fuß auf der Treppe
und noch ein paar dieser flashartigen Shots gedreht, damit ich mir für den
Schnitt die beste Einstellung aussuchen kann. Ich habe alle verwendet und er war völlig erstaunt, dass das funktioniert.
Vielleicht war das der Auslöser, warum er auch bei seinen folgenden Filmen mit
mir arbeiten wollte.
Den
Fahrstuhl-Thriller „Abwärts“ mit Götz George in der Hauptrolle könnte man wohl
seinen Durchbruch nennen, der Film hatte gut zwei Millionen Zuschauer in
Deutschland. Wie sah die Arbeit daran aus?
Bei „Abwärts“ hatte ich die tolle Situation, dass mein Schneideraum im selben Gebäude war, in dem auch die Innenaufnahmen entstanden, inklusive Fahrstuhlschacht. Für mich war das die Gelegenheit, häufig Ton aufzunehmen. Beispielsweise dieses furchtbare Geräusch, wenn die Metallseile langsam reißen. Ich wollte auch den Absturz des Lifts möglichst gut aufnehmen und hab mich mit der Nagra ganz nah an die Stelle gestellt, an der der Lift aufschlägt. Im letzten Moment hat mich ein Typ vom Drehteam weggezogen, mich beschimpft und gefragt, ob ich Lebensmüde sei. Schade. Carl hat sich im Schneideraum selten gezeigt und mir freie Hand gelassen. Er war ein absoluter Autodidakt und hatte in seinem Drehbuch jeden Schnitt von „Abwärts“ aufgeschrieben. Als ich das Buch gesehen hatte, sagte ich ihm: „Das kannst du gleich wieder mitnehmen. Deine Schnitte interessieren mich nicht“. Er hat‘s akzeptiert.
Auch Götz George habe ich am Set kennengelernt. Es war an einem Tag, an dem das Team der Reihe nach zum Produktionsleiter ging wegen Gagenverhandlungen. George kam mir im Make-Up entgegen, mit blutigem Gesicht. Ich frage ihn, ob er auch gerade vom Produktionsleiter komme.
Für mich als Editor war „Abwärts“ jedenfalls ein Film, bei dem es unwahrscheinlich toll war, winzige Nuancen in der Mimik der Schauspieler zu entdecken, kleine Zuckungen um den Mund, oder Blicke. Und diese dann für den Effekt einer Szene zu nutzen. Das ist so viel wertvoller als ein Schauspieler, der Dialog im On aufsagt. Wenn ich solche Sachen finde, beginne ich das Material zu lieben und die Emotionen zu spüren. Dieses Aufspüren und Nutzbarmachen von solchen Kleinigkeiten liebe ich sehr, auch das ist eine Art von Magie.
Wie
bist du Filmeditor geworden?
Ich habe eine Ausbildung zum Industriekaufmann gemacht,
aber das hat mich schnell gelangweilt. Dann wurde ich Verlagskaufmann und war
schließlich Verkaufsleiter für das Jugendmagazin „Bravo“. In dieser Zeit, das
war so um das Jahr 1968, habe ich auch bei einer Band gespielt und auffälligere
Klamotten getragen, hatte lange Haare. Das hat meinen Vorgesetzen nicht
gefallen, ein Verkaufsleiter der „Bravo“ sollte damals immer mit Schlips und
Kragen auftreten. Ich war einfach nicht der richtige Mensch für diese Position.
Eines Tages war da ein Inserat in der Zeitung von der Firma Beta-Film, die
Synchronisationen gemacht haben und dort konnte ich dann im Tonschnitt angefangen.
Schon als Jugendlicher bin ich mit einem Tonaufnahmegerät durch die Gegend gelaufen,
um Geräusche aufzunehmen, mich hat das immer sehr fasziniert. Der Ton war sozusagen
meine erste Leidenschaft und die konnte ich nun bei der Beta-Film ausleben. Aber
es war auch ein harter Abstieg zu meinem vorherigen Job bei der „Bravo“.
Wo
kam deine Affinität zum Film her, bist du oft ins Kino gegangen?
Nein. Weder damals noch heute schaue ich Filme,
auch wenn das absurd klingen mag. Ich hatte auch nie Vorbilder, es war ein völlig
intuitiver Schritt dahin. Ich war nie auf einer Filmhochschule und habe auch in
dem Bereich keine Ausbildung gemacht. Ich bin in den Bildschnitt hineingerutscht
und habe Anfang der 1970er bei Jutta Brandstaedter als Assistent sehr viel
gelernt. Und dann kam ich von einem Projekt zum nächsten. Mein Gefühl für die
Beschaffenheit einer Szene, für schnelle Szenen, für langsame Szenen, das habe
ich mir intuitiv in der Arbeit selbst beigebracht.
Bei
Filmplus zeigen wir zur Eröffnung am 26. Oktober deinen Film „Out of Rosenheim“
in der restaurierten 4k-Fassung, die dieses Jahr in Cannes vorgestellt wurde. Was
kannst du uns über deine Zusammenarbeit mit Regisseur Percy Adlon erzählen?
Ich
kann mich gut daran erinnern, dass ich mit Percy, bevor wir anfingen, in der
Sendlinger Straße bei strahlendem Sonnenschein einen Spaziergang gemacht habe.
Percy hatte einen Strohhut auf und er hat mir von seinem Vorhaben berichtet und
mich gefragt, ob ich daran interessiert bin. Wir waren, für Außenstehende, bestimmt
ein seltsames Paar und es war das erste Mal, dass ich auf diese Weise ein
einleitendes Gespräch geführt habe. Am Ende war er überzeugt, dass es mit mir
funktionieren kann. Wie Percy auf mich gekommen ist, kann nur er beantworten.
Ich hab mich nie und bei niemandem je angebiedert. Die Projekte sind mir
einfach ins Haus geschneit.
Wie sah dann die Arbeit im
Schneideraum bei „Out of Rosenheim“ aus?
Zunächst
mal war es ein Schock für mich, dass Percy neben mir sitzen wollte während der
Montage. Das habe ich freundlich aber bestimmend abgelehnt und er musste sich
auf einige Besuche beschränken, bei denen er in einer anderen Ecke des Raumes
saß. Das Material schien mir manchmal etwas zu träge inszeniert und ich war oft
bemüht, durch meine Arbeit einen schnelleren Rhythmus und Erzählfluss für seine
Bilder zu finden. Er war immer etwas besorgt, dass alles zu schnell ginge im
Film, da brauchte es viel Überzeugungsarbeit. Er hat es, ein bisschen
skeptisch, schließlich akzeptiert, und fand viele meiner Ideen, etwa bei der
schnell montierten Anfangssequenz, glaube ich, sogar sehr amüsant. Auch
sonst sprang ich häufig zwischen den Einstellungen hin und her. Nach seinem
Film „Zuckerbaby“ (1985), den er zuvor ebenfalls mit Marianne Sägebrecht in der
Hauptrolle gemacht hat, war das für ihn eine neue Erfahrung. Was er inszeniert
hat, gefiel mir aber sehr und seine Schauspieler waren exzellent, sie haben mir
alle Möglichkeiten in die Hand gegeben. Das Drehbuch hat mich
allerdings, wie bei allen meinen Filmen, nicht interessiert.
Du hast nie Drehbücher
gelesen?
Um
ganz ehrlich zu sein, mich interessieren Drehbücher einfach nicht. Zum Glück
musste ich in meinem Leben nur eines oder zwei lesen. Es ist für mich ein
Arbeitswerkzeug, auf das ich vereinzelt zurückgreifen muss, um die Chronologie
des Materials zu verstehen oder um bei konfusen Szenen Hilfe zu haben. Aber
ansonsten… Drehbücher sind doch meistens langweilig und in der Umsetzung ist es
ja eh immer ganz anders geworden. Das Material vom Dreh ist für mich viel
maßgeblicher. Wenn dann die Regie kommt, meinen Schnitt ansieht und sagt, das
war doch im Drehbuch ganz anders, dann kann ich nur sagen, ich hab das Buch
nicht gelesen. So funktioniert das am besten und oft wurde dann auch bei meiner
Version geblieben. Ich will das Material möglichst intuitiv aufnehmen und ich
finde das auch den richtigeren Weg. Von dem Material fließen die Emotionen auf
mich über, nicht von den geschriebenen Zeilen.
Musik
ist ein wichtiges Element von „Out of Rosenheim“ und das Titellied „Calling
You“ war ja sogar für einen Oscar nominiert. Könntest du ausgehend davon ein
wenig deinen Umgang mit Musik in der Montage beschreiben?
Bei „Out of Rosenheim“ war die Musik größtenteils Bestandteil der Szenen. Ich habe häufig mitgesungen, wenn ich allein war. (lacht) Im Allgemeinen ist es aber eines der letzten Elemente, die dazukommen. Spätestens dann zeigt sich, ob der Film einen guten Rhythmus besitzt und der Komponist im Studio nicht vor Verzweiflung in seinen Taktstock beißt, weil die vorgegebenen Synchronpunkte partout nicht zu seinem Timing passen wollen.
Wichtig ist für mich, dass sich die Musik nicht zu sehr in den Vordergrund schiebt und unterstützend bleibt. Es ist erstaunlich, wie extrem wirksam besonders minimalistische Musik bei Filmen sein kann. Außerdem kann es ganz spannend sein, wenn die Musik nicht die von der Szene gezeigten Emotionen aufnimmt, sondern stattdessen leicht dagegen steuert. Häufig wird durch den Widerspruch die Emotion der Szene verstärkt, obwohl das ja eigentlich ein Widerspruch in sich selbst zu sein scheint.
Gestehen muss ich auch, dass ich häufig so frei war, in der Musik noch herumzuschnippeln, wenn ich glaubte, dass es dann besser passt. Kein Komponist hat sich je darüber beschwert, zumindest nicht bei mir. Mein Rhythmus-Gefühl, das ich als Schlagzeuger und Gitarrist habe, hat mir dabei sicher nicht geschadet.
Du
hast in den 1980ern auch wieder viel Tonschnitt und Sounddesign gemacht. „Der
Name der Rose“ aus dem Jahr 1986 sticht da als besonders teure und erfolgreiche
Produktion heraus, wie bist du zu dem Film gekommen?
Ursprünglich waren der bekannte Tongestalter Mike
Le Mare und sein großes Team aus Großbritannien da, aber Produzent Bernd Eichinger
merkte schnell, dass die jedes Budget sprengen wollten. Darum bekam ich seinen
Job und habe dann das Schild an der Tür mit der Aufschrift „Mike Le Mare“ auch
gleich ersetzt mit dem Schild „Norbert Le Weniger“. Ich fand das lustig. Meine
Schnittassistentin allerdings nicht und sie hat es gleich wieder abgenommen.
(lacht) Die Arbeit bei „Der Name der Rose“ war ungemein spannend: Es war wie
beim Bildschnitt, wo ich die kleinen, diffizilen Momente in der Mimik der
Schauspieler suchte, um etwas zu erzählen. Hier waren das nun die besonderen,
kleinen Geräusche, die unterschwellig ihre große Wirkung entfalten sollten. Das
Geräusch einer Grille oder ein leises Rauschen von Blättern in einem Baum, die
können sehr viel ausmachen an der richtigen Stelle. Der Regisseur Jean-Jaques
Annaud war da auch sehr freizügig mit mir und so haben wir etwa das Geräusch
eines Murmeltieres genommen, das so ähnlich wie ein Vogel klang, und haben das
durch die Luft fliegen lassen.
Und
du hast auch selbst Geräusche für den Film aufgenommen?
Genau, dafür bin ich sehr viel herumgereist und das hat mir wahnsinnigen Spaß gemacht. Ich bin durch Scheunen gekrochen, habe in Kirchen auf den Bodendielen herumgeknarzt und auch eine Woche in einem Kloster verbracht, um meine Töne aufzunehmen. Auch für Kleinigkeiten muss man bei dieser Arbeit manchmal bis zum Äußersten gehen: Beispielsweise bin ich bis drei Uhr nachts mit dem Auto herumgefahren, bis ich einen Weiher ohne störende Geräusche in der Umgebung gefunden hatte. Nur um einen einzigen Stein hineinzuwerfen. Es gibt so viele absurde Situationen, die ich zum Thema Geräusche-Aufnehmen erzählen könnte… Auch die, dass ich einmal bei einem Sturm in den Wald gefahren bin, um das Rauschen und Knacken in den Bäumen aufzunehmen. Und plötzlich knallt es in meinen Kopfhörern und direkt neben mir stürzte eine Tanne zu Boden, die mich fast erschlagen hätte. (lacht) Auch wenn diese Geräusche dann in der Mischung oft verschwinden, weil andere Geräusche oder Dialog gerade wichtiger sind, freue mich immer sehr darüber, wenn ich in meinen Filmen diese kleinen feinen Sachen höre. Beispielsweise das fliegende Murmeltier.
Das Sounddesign für „Der Name der Rose“ war wohl meine herausforderndste Arbeit. Aber mir wurde danach auch schnell wieder bewusst, dass ich wieder in den Bildschnitt will, ich muss was Anderes machen. Beim Ton hatte ich die fertig montierten Bilder schon vor mir, und das erschien mir wie ein Gleis, von dem ich nicht runterkomme. Ich will das selbst herstellen, was das Bild hergibt. Beim Filmschnitt schienen mir meine Gestaltungsmöglichkeiten einfach größer.
Wie kann man sich das Arbeiten in deinem Team vorstellen?
Die Arbeit im Schneideraum ist fast immer stressig
und herausfordernd, aber das ist viel leichter zu bewältigen, wenn ein gutes
Klima im Team herrscht, das war mir immer sehr wichtig. Ich habe meinen
Assistenten immer etwas Richtiges zu tun gegeben, damit sie sich selbst
erproben konnten; analog aber auch beim Digitalschnitt später, weil das System
dies ja quasi herausfordert, dass man schnell mal eine neue Version einer Szene
erstellen kann. Sie sollten ihre Intuition und sich selbst erproben, so wie ich
das auch getan habe. Ich hatte Spaß an der Arbeit und immer ein gutes
Verhältnis zu meinen Assistentinnen und Assistenten.
Du hast über Jahrzehnte ohne größere Pausen einen Film nach dem anderen gemacht, was hat dich all die Jahre immer wieder fasziniert am Filmschnitt, sodass er zu deiner Profession, deiner Lebensaufgabe wurde?
Ich hatte das Glück, dass ich nie auf eine Sorte Film fixiert wurde, auf ein Genre zum Beispiel. Ich durfte immer wieder ganz andersartige Filme gestalten. Und jedes Genre, jeder Film, hat seine ganz eigenen Herausforderungen und Reize. Es ist jetzt bald sieben Jahre her, dass ich meinen letzten Film geschnitten habe, aber ich träume immer noch davon, immer wieder. Ich erträume absurd große Schneide-Maschinen, die eine Mischung aus analogen und digitalen Schnittsystemen sind und ich sitze davor, sichte und ärgere mich im Traum über die alltäglichen Dinge: über das komische Material und mein Grübeln, wenn ich nicht weiß, wie ich eine Szene gestalten soll. Das lässt mich einfach nicht los. Ich liebe meinen Beruf, ich liebe das Schneiden. Es ist ein Teil meines Wesens und meines Daseins, so absurd das vielleicht auch klingt. .
Interview: Werner Busch