Rohstoff - dokumentarisches Material in verschiedenen Auswertungspunkten

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Filmstill aus „Der Versicherungsvertreter" © Sternfilm

 

Das Leben und die „erstaunliche Karriere des Mehmet Göker“, so der Untertitel der Versicherungsvertreter-Filme von Klaus Stern, bietet wahrlich Material genug für mehrere Filme: Mit 22 erst aus der elterlichen Wohnung ausgezogen, in der er die eigene Firma gründete - mit 32 schon insolvent mit 21 Millionen Euro Schulden. Dazwischen eine kurvenreiche Geschichte von Aufstieg und Fall des türkischstämmigen Jungunternehmers aus Kassel, der das mit seinen Initialen betitelte Unternehmen MEG bisweilen wie eine Sekte führte. Und als Göker längst pleite und in Deutschland wegen Veruntreuung und Insolvenzverschleppung mit Haftbefehl gesucht ist, reüssiert er in der Türkei nach einem ähnlichen Geschäftsmodell, nur dass diese Firma offiziell seiner Mutter gehört: Startpunkt für den zweiten Teil der Dokumentation. Bereits für den ersten Film 2011 ist der Steinbruch des dokumentarischen Materials, aus dem Filmemacher Klaus Stern und Editorin Friederike Anders schöpfen ebenso divers wie fruchtbar: Eigene Drehs mit „Aussteigern“ und die wenigen Drehtage mit Göker selbst werden ergänzt von Firmenvideos, zugekauftem Material von Fernsehsendern und nicht zuletzt markanten Handyfilmen von Privatpersonen, die z.B. zeigen, wie sich der Führungszirkel des Unternehmens das MEG-Logo tätowieren lässt. Aus diesem „Rohstoff“ entsteht in gut einem halben Jahr Schnittzeit der erste Kinofilm. Einige Sequenzen dieses Materials finden auch in Teil 2 Eingang, der wiederum sowohl als 45-Minuten-Fassung für das WDR „Menschen hautnah“-Format sowie als 70minütiger Kinofilm ausgewertet wurde und am Ende mit einer Art Cliffhanger Richtung möglichem Teil 3 überrascht. Worin unterscheiden sich die verschiedenen Auswertungsformen und Dramaturgien, wie hat der „Rohstoff“ des ungewöhnlich vielgestaltigen Ausgangsmaterials deren jeweilige Montage beeinflusst und wohin geht die weitere Reise? Denn auch als Substanz für einen fiktionalen Kinofilm wird die „Mehmet-Göker-Story“ derzeit genutzt...

Rohstoff - Dokumentarisches Material in verschiedenen Auswertungsformen 
Sonntag, 28. Oktober 2018, 19:00 Uhr
im Filmforum NRW im Museum Ludwig

Gäste:

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Friederike Anders studierte Bildende Kunst in Hamburg und Video und Performance in San Francisco. Sie ist Absolventin der dffb Berlin und war von 1993 bis 1998 künstlerische Mitarbeiterin von Valie Export an der UdK Berlin. Dort realisierte sie ihr interaktives Multimediaprojekt „Das Gedächtnis der Frau in Weiß“. Bei ihren dokumentarischen Essay-Filmen war sie für Regie und Schnitt verantwortlich. 1999 gründete sie das Schnittstudio »urbanfilm« und wurde Dozentin für Montage an der dekra Hochschule Berlin. Seit 2004 verbindet die Editorin eine langjährige Kreativpartnerschaft mit Klaus Stern, zuletzt montierte sie Esther Zimmerings Kinodokumentarfilm „Der Swimmingpool am Golan“.

Klaus Stern begann nach einer Ausbildung zum Briefträger und dem Studium der Wirtschaftspädagogik und Politik autodidaktisch Dokumentarfilme zu drehen. Sein erster Film war 1999 „Der Austausch – Die vergessene Entführung des Peter Lorenz“, „Weltmarktführer – Die Geschichte des Tan Siekmann“ wurde dann 2005 mit dem Herbert Quandt-Medien-Preis sowie dem Grimme Preis ausgezeichnet, „Versicherungsvertreter – Die erstaunliche Karriere des Mehmet Göker“ erhielt 2012 den 1. Preis des Helmut-Schmidt-Journalistenpreises. 2017 bekam Klaus Stern den Ehrenpreis des Kasseler Dokumentarfilm- und Videofests.